Google UX Design Zertifikat: Top oder Flop? Der Erfahrungsbericht geht weiter. (Teil 2)

Im ersten Teil des Blog-Artikels habe ich dir berichtet, wie sich der Ablauf der Zertifikatskurse gestaltet. Im Folgenden erfährst du, welche Stärken und Schwächen das Programm hat und ob ich es noch einmal machen würde. 


Was sind die Vorteile?

Insbesondere die Flexibilität in Bezug auf das Tempo ist für mich praktisch. Ich war zwischendurch eine Woche im Urlaub und es gab Wochen, in denen ich keine Zeit hatte, weil zu viel anderes erledigt werden musste.

Außerdem sind die Kurse gut strukturiert, sodass du die Inhalte nach und nach durchgehen kannst. In der Regel beginnt jede Lektion mit einem Video, in dem kurz die Basics erklärt werden. Darauf folgt eine Leseeinheit, die tiefer ins Detail geht. Hier kannst du dir viele Notizen oder Screenshots machen, auf die du später zurückgreifen kannst. Anschließend wird das Wissen anhand kurzer Quizfragen überprüft, bevor die Abgabe für die jeweilige Woche erfolgt.

Die Techniken und Methoden, die bei der Nutzerforschung zum Einsatz kommen werden im Detail erklärt und geübt. Interviews, Personä und User Journeys bilden eine solide Basis, um sich einen Überblick über die Nutzer zu verschaffen und sie nicht aus den Augen zu verlieren. Brainstorming-Übungen wie Crazy Eights (8 Ideen in 8 Minuten) oder How Might We (Wie könnten wir Problem XY lösen?) haben mir besonders viel Spaß gemacht und dabei geholfen, mich nicht von Anfang an zu sehr in eine Idee zu “verlieben”.

Durch alle Kurse hinweg wird die Wichtigkeit der Barrierefreiheit vermittelt, welche meiner Erfahrung nach im Alltag oft unbedacht bleibt. Die Bedürfnisse von Menschen zu berücksichtigen, die von Einschränkungen betroffen sind, hilft am Ende nicht nur diesen Personen, sondern einem Großteil der Menschen. Am Lehrreichsten fand ich die Einsicht, dass eine körperliche Einschränkung nicht permanent sein muss, sondern auch temporär oder situationsbedingt sein kann. Ein konkretes Beispiel für letzteres war ein Vater, der sein Kind auf dem Arm trägt und deshalb nur eine Hand frei hat. Die Frage, die sich daraus ableitet, ist also: Wie kann ich beispielsweise ein Produkt designen, das gut mit nur einer Hand zu bedienen ist?

Was sind die Nachteile?

An manchen Stellen sind die Inhalte des Programms zu oberflächlich. Es heißt zwar “UX-” und nicht “UI-Design-Zertifikat”, aber da die Aufgabe ist, am Ende ein fertiges, High-Fidelity-Produkt für das Portfolio zu entwickeln, sollte meiner Meinung nach mehr Fokus auf das Lernen von UI-Design-Basics gesetzt werden.

Die Gestaltprinzipien werden zwar im Detail erklärt, aber häufig werden daraus keine wichtigen Schlüsse für finale Designs gezogen. Den Großteil dieses Bereichs habe ich mir daher selbst angelesen oder intuitiv gestaltet. Da ich ein gutes Gespür für Ästhetik habe, ist mir das vergleichsweise leichtgefallen. Wenn ich die Aufgaben anderer Teilnehmenden bewertet habe, ist mir allerdings häufig aufgefallen, dass die Designs laienhaft wirkten. Ich denke, diese Personen hätten von tiefgründigeren UI-Design-Lektionen profitieren können.


Leider gibt es keinen persönlichen Mentor oder erfahrenen Designer, der sich die Arbeiten anschaut und wertvolles Feedback gibt. Die Arbeiten werden nur von anderen Teilnehmenden bewertet, die logischerweise auf einem ähnlichen Level sind. Die Kriterienkataloge zur Bewertung sind auch nur begrenzt hilfreich, da sie in der Regel wenig mit der Qualität der Arbeit zu tun haben, sondern eher mit dem schlichten Erfüllen von Mindestanforderungen. Konstruktives Feedback musste ich mir also über andere Wege einholen, entweder über erfahrene Designer:innen im Bekanntenkreis oder über Websites wie ADPList, die kostenloses Mentoring anbieten.

Das Template für die Case Studies ist designtechnisch sehr generisch, weshalb ich mir ein eigenes Design auf meiner Portfolio-Website erstellt habe. Zum einen bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, eine persönliche Note einzubringen. Zum anderen habe ich bereits erwähnt, dass es essentiell ist, deine visuellen Designskills zu präsentieren, wenn du dich mit dem Portfolio bewerben möchtest.

Mein persönliches Fazit

Mir war es wichtig, einen festen Rahmen zu haben, in dem ich mich weiterbilden kann, da ich keine Person bin, die sich allein mithilfe von YouTube-Tutorials Neues beibringt. Da es so viele Informationen im Internet gibt, war es hilfreich, eine kuratierte Auswahl von Lektionen zu haben, die ich chronologisch durchgehen konnte. Andernfalls hätte ich nicht gewusst, wo ich überhaupt anfangen soll.

Wie mit vielen Dingen im Leben kommt es auch bei diesem Zertifikat darauf an, wie du die gemachten Erfahrungen weiterentwickelst. Wie bereits erwähnt, habe ich mich mit einigen Punkten sehr intensiv beschäftigt, beispielsweise mit dem Prototyping in Figma. Das hat mir einen enormen Vorteil und Sicherheit in diesem Bereich verschafft. Allerdings kommt Figma, was das Prototyping angeht, schnell an seine Grenzen. Programme wie Axure sind besser geeignet, um Prototypen zu bauen, die sich quasi wie das finale Produkt bedienen lassen. Daher kann ich nur betonen, wie wichtig es ist, sich neben dem Zertifikat selbstständig zu informieren und auszuprobieren, denn gerade die Arbeit mit der jeweiligen Software verlangt viel Übung.

Unter meinen gegebenen Umständen (begrenztes Budget, unregelmäßiger Zeitplan) würde ich das Zertifikat definitiv noch einmal machen. Auch wenn ich nicht mit allem zufrieden war, habe ich vieles mitgenommen und meine Fähigkeiten verbessern können. Da ich insbesondere noch in der Nutzerforschung Lücken hatte, konnte ich für diesen Bereich ein tieferes Verständnis und Know-How gewinnen. Daher denke ich, dass ich nun ein umfangreiches Skillset besitze, um mich UX-Projekten anzunehmen.

Lohnt sich das Zertifikat für dich?

Die Frage kannst du schlussendlich am besten selbst beantworten. Es kommt stark darauf an, worauf du Wert legst. Insbesondere wenn du eine kostengünstige Einführung in das Thema und ein paar erste Projekte für dein Portfolio benötigst, könnte sich das Zertifikat für dich lohnen. Wenn es dir besonders wichtig ist, im Rahmen des Programms einen persönlichen Mentor zu haben, der dich betreut, wirst du hier leider enttäuscht werden und solltest dir eventuell eher einen der Kurse von CareerFoundry ansehen (Achtung: gut bewertet, aber sehr teuer!).

Ich denke, das Wichtigste ist, nicht mit der Erwartung hineinzugehen, dass du nach dem Zertifikat ein vollausgebildeter UX-Designer bist. Zum einen fehlt die Praxiserfahrung, zum anderen verändert sich das Berufsfeld rasant. Es entstehen fortlaufend neue Trends und es kommen regelmäßig neue Design-Programme auf den Markt (oder Adobe kauft einen ihrer größten Konkurrenten auf). Du solltest dir also bewusst sein, dass in diesem Job stetige Weiterbildung und Anpassung dazugehört.


Was stört dich bei Weiterbildungen am meisten?

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Google UX Design Zertifikat: Wie geht das? Ein Erfahrungsbericht. (Teil 1)

Bootcamps und Zertifizierungsprogramme im Bereich UX Design gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Eines der Bekanntesten ist das UX Design Zertifikat von Google. Warum ich mich für genau dieses Programm entschieden habe und aus welchen Komponenten es besteht, erfährst du in diesem Artikel.

Hier geht es zu Teil 2 meines Erfahrungsberichts.


Nach Besuch des UX-Design-Moduls an der Uni ist mir etwas aufgefallen: Zwar hatten meine Kommiliton:innen und ich eine tolle App entworfen, allerdings hatten wir einige Wissenslücken. Beispielsweise haben wir wenig bis gar nichts zum Thema Nutzerforschung und Usability-Tests erfahren, obwohl dies essentielle Grundlagen für eine gute User Experience sind.  

Da ich privat viel auf Reddit und YouTube unterwegs bin, bin ich verschiedenen Foren beigetreten und habe Kanäle (z.B. Rachel How und Malewicz) zum Thema UX Design abonniert. Es gab viele hilfreiche Tipps und Infos – leider zu viele. Ich wusste nicht wirklich, wo ich anfangen sollte – das war demotivierend. Auf Reddit bin ich irgendwann auf einen Thread über UX-Design-Bootcamps und -Kurse gestoßen. Dort habe ich das erste Mal vom UX-Zertifikat von Google gehört. “Hm”, dachte ich, “einer der größten Konzerne der Welt, der eine der wichtigsten Designsprachen entwickelt… das kann nicht so schlecht sein”. Ich musste es einfach ausprobieren.

Warum habe ich mich für Googles Zertifikat entschieden?

Einer der wichtigsten Gründe, warum ich mich für das Google Zertifikat entschieden habe, waren die Kosten. Der Kurs wird über die Plattform Coursera angeboten und kostet 55€ im Monat. Das ist insbesondere für Studierende nicht wenig Geld, aber noch gering im Vergleich mit anderen Kursen, die häufig mehrere Tausend Euro kosten. 

Ein weiterer wichtiger Punkt war die selbstständige Zeiteinteilung. Da ich noch zur Uni gehe und als Werkstudentin arbeite, habe ich nicht die ganze Woche Zeit, mich intensiv mit dem Stoff auseinanderzusetzen. Sobald ich Zeit und Lust habe, kann ich mich an den Laptop setzen, egal ob für 30 Minuten oder 4 Stunden und ganz gleich zu welcher Tageszeit. 

Mich hat außerdem überzeugt, dass ich die Inhalte über die Coursera-App auf mein Handy oder Tablet zur Offline-Nutzung runterladen kann. Ich saß häufig im Zug oder im Wartezimmer beim Arzt und habe mir die Zeit mit Leseeinheiten vertrieben. Das hat das Arbeiten im eigenen Tempo enorm erleichtert.

„Mir hat es Spaß gemacht und ich konnte wichtige Wissenslücken schließen.“

Wie lange dauert das Zertifikat?

Laut Google sind die Kurse so strukturiert, dass du das Zertifikat in ca. sechs Monaten abschließen kannst. Ich finde diese Zeitangabe allerdings sehr schwierig. Es hängt stark davon ab, wie viel Zeit pro Woche investiert werden kann, wie viel Vorwissen vorhanden ist und wie tief man in die Themen einsteigen möchte.

Wie ist das Zertifikat aufgebaut?

Das Zertifikat besteht aus insgesamt sieben Kursen, welche jeweils drei bis sechs Wochen dauern. Die Kurse setzen sich aus Videos, Leseeinheiten und kurzen Quizfragen zum Gelernten zusammen. Außerdem gibt es am Ende jeder Woche die sogenannten “peer-reviewed assignments”, die allerdings nicht wirklich peer-reviewed (d.h. von Experten begutachtet) sind. Alle Teilnehmenden laden ihre Abgaben hoch und bewerten sich gegenseitig anhand eines Kriterienkatalogs.

Kurs 1 & 2: Nutzeranalyse & Recherche

Die Struktur der Kurse orientiert sich am Design-Thinking-Prozess. Im ersten Kurs geht es mit einer Einführung in das Berufsfeld UX Design los. Im zweiten Kurs suchst du dir ein Projekt für eine mobile App aus und beginnst mit der Recherche. Du lernst, wie Personä und User Journeys erstellt werden und wie man eine Wettbewerbsanalyse durchführt, um dein (fiktives) Produkt mit Wettbewerbern auf dem Markt zu vergleichen. Auf Basis dieser Analyse beginnst du, erste Ideen für dein Produkt abzuleiten.

Kurs 3 bis 5: Designs & Usability-Tests

Im dritten Kurs geht es ans Eingemachte: du lernst, wie du mithilfe von Wireframes schnell Ideen für das Layout generierst. Aus den besten Ideen baust du einen Low-Fidelity-Prototypen in Figma, mit dem du deine Designs interaktiv gestalten und testen kannst. Im vierten Kurs wird es besonders spannend, denn du erfährst, wie ein Usability-Test durchgeführt wird. Dazu gehört, dass du dir überlegst, welche Funktionalitäten getestet werden müssen und welche Fragen bzw. Aufgaben du den Teilnehmenden stellst.

Nach dem Test wertest du die Ergebnisse aus und erstellst einen Bericht, welche Probleme sich während des Tests ergeben haben. Mit den Erkenntnissen aus diesem Bericht schaust du dir deine Wireframes im fünften Kurs noch einmal an und verfeinerst sie. Sämtliche Probleme, die die Teilnehmenden im Usability-Test hatten, solltest du jetzt beheben.

Abschluss des Projekts & Case Study

Wenn diese Schwierigkeiten behoben wurden, machst du dich im fünften Kurs an das High-Fidelity-Design deines Produkts. Du entwickelst ein Farbschema und übernimmst es für deine Designs, fügst Bilder ein und ersetzt den Platzhalter durch einen richtigen Text. Daraus baust du wieder einen Prototyp und führst einen zweiten Usability-Test durch. Nachdem du deiner App den letzten Schliff verpasst hast, ist dein erstes Projekt fertig.

Mithilfe der Personä, Analysen, Bildern von Wireframes und fertigen Mockups, erstellst du zum Abschluss eine Case Study für dein Portfolio. Hiermit kannst du zukünftigen Arbeitgeber:innen zeigen, wie deine Arbeitsweise ist und welche Gedankenprozesse du durchlaufen bist. Hierbei sollte also besonders gründlich gearbeitet werden!

Kurs 6 & 7: zwei neue Projekte, derselbe Prozess

In Kurs 6 suchst du dir ein neues Projekt aus, um eine responsive Website zu gestalten. Du erhältst außerdem eine kurze Einführung in Adobe XD, womit das zweite Projekt umgesetzt werden soll. Schlussendlich bleibt es aber dir überlassen, welches Programm du benutzen möchtest. Du wiederholst die Schritte aus den Kursen 2-5, bis du dein zweites Portfolio-Projekt fertiggestellt hast. Zusätzlich lernst du einiges über die Besonderheiten von responsiven Websites und die meistgenutzten Layouts. 

Im siebten und letzten Kurs kannst du dir ein eigenes Produkt ausdenken, das einen sozial-gesellschaftlichen Nutzen haben soll. Außerdem geht es darum, deinem Portfolio den letzten Schliff zu verpassen und dich für Bewerbungen fit zu machen. Da ich aktuell noch in Kurs 6 bin, kann ich über weitere Details von diesem Kurs noch nichts berichten.

Über die Vorteile und Nachteile des Zertifikats und mein Fazit erfährst du mehr in Teil 2.


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