4-Tage-Woche – Das Vollzeitmodell der Zukunft?

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Sara Gorzelec

UX Consultant & Head of Social Media

Inhaltsverzeichnis

Nach dem Studium bin ich bei UXLA übernommen worden und direkt in den Genuss einer echten 4-Tage-Woche gekommen. Ich habe alle Vor- und Nachteile kennengelernt. Nach einem Jahr wollte ich zusätzliche Aufgaben intern übernehmen und habe meinen Vertrag auf 38h und damit eine 5-Tage-Woche anpassen lassen. Was sich geändert hat, wie sich die Modelle unterscheiden und ob ich es bereue, erfährst du in diesem Beitrag. 


Arbeits-Freizeit-Verhältnis verschiebt sich 

Wenn du in einer 4-Tage-Woche arbeitest, hast du nicht nur einen Tag mehr Freizeit, sondern auch einen Tag weniger Arbeit! Ich weiß nicht, ob du auch so ein Zahlen-Nerd bist, aber ich finde in Prozenten und Diagrammen ausgedrückt wirkt alles direkt beeindruckender: 

5-Tage-Woche bedeutet: circa 71% der Woche sind mit Arbeitstagen gefüllt 

4-Tage-Woche bedeutet: circa 57% der Woche sind mit Arbeit gefüllt.

Übrigens: gerechnet aufs Jahr – wenn du alle Urlaubstage, Wochenenden und Feiertage einbeziehst – hast du mit einer 4-Tage-Woche mehr als die Hälfte frei. Bei einer 5-Tage-Woche überwiegt die Arbeit. Hat mich selbst überrascht. 

5-Tage-Woche bedeutet: du arbeitest 60% des Jahres und hast nur 40% frei.

Bei einer 4-Tage-Woche hast du rund 190 tage frei, was mehr als 50% eines Jahres sind!

Ok, weg mit dem Taschenrechner. Welchen Effekt hat eine 4-Tage-Woche? 

+ Mehr Zeit für dich und was dir wichtig ist 

Es liegt auf der Hand: du hast mehr Zeit und kannst dein Leben besser organisieren. Je nachdem, wie du deine 32 Stunden verteilst, hast du entweder einen Tag mehr frei oder jeden Tag früher Feierabend. Du hast mehr Raum für deine Hobbys. Du hast mehr Zeit, um Freundschaften zu pflegen und deine Familie zu sehen. Du kannst Termine beim Arzt, Friseur oder beim Amt einfacher planen. Alles, ohne Überstunden zu nutzen oder Minusstunden zu produzieren.  

Während meiner 4-Tage-Woche hatte ich jeden Freitag frei. Das heißt, noch bevor für andere das Wochenende begann, konnte ich alle Besorgungen, Termine und Pflichten erledigen. Was automatisch dazu führte: 

Die 4-Tage-Woche bietet dir viel Raum für Hobbys und aktive Entspannung. DIe Dame hier macht es vor: Yoga.

+ Mehr Erholung 

Deine Erwachsenen-Aufgaben verlagern sich nicht auf den Abend oder den Samstag. Feierabend ist wirklich Feierabend und Wochenende ist Wochenende. Du hast zwei Tage zur puren Entspannung übrig. Das hat Auswirkungen auf deinen Körper.  

Als ich nur 32h gearbeitet habe, war ich körperlich fitter – bye, Rückenschmerzen – aber vor Allem mental viel leistungsfähiger. Ich hatte Routinen. Ich habe mir Zeit für Sport eingeplant und den Sonntag für Ausflüge in die Natur reserviert. Der eine zusätzliche freie Tag hat so viele Variablen abgefangen, dass ich immer genug Raum für Selfcare hatte.  

Ab und zu fühlt sich die 5-Tage-Woche so an, als würde ich mich von Wochenende zu Wochenende retten – du kennst das Gefühl bestimmt. Ich spüre, dass es mich mehr Überwindung kostet aktiv zu sein, weil ich häufiger erschöpft bin. 

+ Kompatibel mit Care-Jobs 

Du hast kleine Kinder oder ein Familienmitglied das pflegebedürftig ist? Du kannst deinen Lieblingsmenschen viel einfacher gerecht werden und gleichzeitig deine Karriere weiterverfolgen, wenn du einen Tag weniger arbeiten musst. Kinder zur Kita oder Schule bringen. Nachmittags da sein, wenn sie nach Hause kommen. Regelmäßig nach Mutter oder Opa schauen.  

Care-Jobs sind anstrengend und mental extrem fordernd. Wenn du überarbeitet, vielleicht sogar überfordert bist, überträgt sich das auf deine Beziehungen. Eine 4-Tage-Woche kann dabei enorm unterstützen. 

+ Bessere Gesundheit 

Dein Kopf und dein Immunsystem brauchen Ruhe und Auszeiten, um sich zu regenerieren. Du bist seltener krank und fällst seltener aus. Das wiederum entlastet nicht nur den Geldbeutel deines Arbeitgebers, sondern auch dein schlechtes Gewissen, weil du nicht “schon wieder” fehlst. 

Seit ich 38 Stunden arbeite kränkle ich regelmäßig leicht. Standardmäßig bin ich die ersten Tage des Urlaubs platt, sobald der Stress abfällt. Das habe ich während meiner verkürzten Wochen nicht erlebt. 

Diese schlafende, pinke Katze macht es richtig. Viel Ausruhen, um richtig effizient zu sein. Das Grundprinzip einer 4-Tage-Woche.

+ Überstunden sind weniger schmerzhaft 

Deine Arbeitswoche ist so geplant, dass du alles in 32 Stunden schaffen solltest. Trotzdem gibt es Phasen, in denen du 3-4 Stündchen mehr Zeit brauchst. Ab und zu am Freitagvormittag doch noch einmal den Laptop aufklappen, ist selten ein Problem.  

In einer 5-Tage-Woche kann es allerdings zum Problem werden. Deine knappe Freizeit schrumpft zusätzlich. Private Termine und Pflichten bleiben liegen und werden verschoben. Sie sammeln sich zu einem späteren Zeitpunkt, was deine Freizeit wiederum reduziert.  

Ich hatte noch nie zu viel Freizeit – immer nur zu wenig.  

+ Höhere Effizienz bei der Arbeit 

Kein Witz: du wirst in vier Tagen mehr schaffen als in fünf. Das hat viele Gründe:  

  • Du weißt, dass du weniger Zeit hast und arbeitest deshalb fokussierter.  
  • Du bist motivierter, weil du erholter bist und deine Energie nicht aufsparen musst. 
  • Du hast mehr Pausen von der Arbeit, was zu besseren Ideen führt. 
  • Dein Leben ist nicht so eng gestrickt, weshalb dein Kopf frei von überfüllten Checklisten und heraneilenden Deadlines ist. 
  • Du hast mehr Spaß bei der Arbeit, weil du häufiger Abstand nehmen kannst. 
  • Es gibt seltener nichts zu tun. 

Trotzdem gibt es Aufgaben, die brauchen ihre Zeit und können nicht einfach in eine 4-Tage-Woche gepresst werden:  

Ein Megaphon, um allen von unserer genialen 4-Tage-Woche vorzuschwärmen.

– Ausnahmen und Überstunden 

80% der Zeit arbeiten für 100% Gehalt. Klingt erstmal super. Doch was fehlt möglicherweise? Richtig, die restlichen sechs bis acht Stunden. Hast du Druck, weil ein Projekt schneller zum Abschluss kommen soll, kann sich ein Berg an Überstunden ansammeln, der sich nur langsam wieder abbauen lässt.  

Ich habe häufig Ausnahmen aus Nettigkeit gemacht: “Ja, das geht diese Woche mal.”, “Klar, ich schau Freitag nochmal rein.” oder “Das ist ok, besonders wichtige Termine können wir auch freitags machen.”. Deine Kolleg:innen werden sich an deine Flexibilität gewöhnen und immer häufiger Ausnahmen einfordern. Es ist deine Aufgabe “Nein” zu sagen! 

– Die “Anderen” 

Die 4-Tage-Woche ist das Einhorn unter den Arbeitszeitmodellen. Wahrscheinlich bist du die einzige Person in deinem Umfeld, die diesen Luxus hat.  

Du musst deshalb damit leben, dass du deinen externen Kolleg:innen immer wieder erklären musst, weshalb du freitags oder nachmittags nicht da bist. Auch wenn es manchmal schwerfällt: sei gnadenlos beim Absagen von Terminen, die in deine Freizeit geplant wurden. Das passiert nämlich ständig. Über geteilte Kalender kannst du deine Arbeitszeiten einstellen. Irgendwann werden sie es lernen. 

Auch privat musst du Grenzen ziehen. Ich persönlich tendiere dazu Haushaltsaufgaben meiner Mitmenschen zu übernehmen, damit ich sie an meinem Luxus teilhaben lassen kann. Achte darauf, dass du die Zeit trotzdem für dich selbst nutzt und nicht nur Caretaker:in für Andere spielst.  

Dieser Grüne Briefumschlag steht für Kommunikation. Denn die ist bei einer 4-Tage-Woche noch wichtiger als sonst.

– Weniger Urlaub 

Ja, das stimmt. Bei einer 4-Tage-Woche hast du nur einen gesetzlichen Anspruch auf 80% Urlaub. Für deinen Geldbeutel und die Rente ist das weniger schön. In deinem Kalender macht das aber keinen Unterschied. Im Gegenteil. Du bekommst zu den 16 bezahlten Urlaubstagen circa 42 Freitage geschenkt. Meistens werden trotzdem 6 Wochen Urlaub vertraglich vereinbart: sprich 24 Tage für eine 4-Tage-Woche und 30 Tage für eine 5-Tage-Woche. 

Wir ernten viel Neid

Zugegeben: Als ich den Artikel geplant habe, habe ich meine Kolleg:innen nach Vor- und Nachteilen für eine verkürzte Woche gefragt. Wir hatten unsere Schwierigkeiten überhaupt negative Punkte zu finden. Und die, die wir gefunden haben, sind eher von der Sorte “jammern auf hohem Niveau”. Das spricht für sich.  
 
Auch unser Umfeld reagiert neugierig und viele haben mich als verrückt erklärt, als ich von meinem Wechsel zurück in die verstaubte 5-Tage-Woche erzählte. 

Wie geht es mir mit meiner 5-Tage-Woche?  

Es ist viel. Ja, ich bin erschöpft und 38 Stunden sind trotzdem oft nicht genug, um alles zu schaffen, was ich mir vorgenommen hatte. Ich mache Überstunden, obwohl ich sechs Stunden mehr Zeit habe als vorher. Das liegt vor allem daran, dass ich mehr Aufgaben übernommen habe. Ich nutze Urlaubstage oder Überstunden, um ab und zu ein verlängertes Wochenende zu haben – etwas, was ich vorher regulär hatte. 

Doch das ist ok. Es passt gerade in mein Leben und mir macht die Arbeit Spaß; zumindest meistens. Ich verdiene jetzt 125%, im Vergleich zu vorher, und kann viel zur Seite legen. So kann ich selbstständig für meine Zukunft (Rente? Eigentum? Familie?) vorsorgen.  

Wie in diesem Kalender blocken wir uns den 5. Tag immer, damit erst gar niemand auf die Idee kommt uns Termine einzustellen.

Gehe ich zurück zur 4-Tage-Woche? 

Nicht heute oder morgen, aber ich bin mir sicher: Ich werde zurückwechseln, wenn ich mich danach fühle oder sich meine Prioritäten verschieben. Die 4-Tage-Woche ist die Zukunft, weil die Vorteile schwerer wiegen. 

Kurz und knackig

Das spricht für eine 4-Tage-Woche: 

  • Das Arbeits-Freizeit-Verhältnis verschiebt sich drastisch  
  • Mehr Energie durch mehr Erholung 
  • Zeit für private Termine ohne Minusstunden 
  • Zeit für sich selbst, Familie, Freund:innen und Hobbys 
  • Vereinbarkeit von Care-Jobs und Karriere 
  • Überstunden sind weniger schmerzhaft 
  • Höhere Effizienz beim arbeiten 
  • Weniger Stress = Gesundheitlicher Vorteil = weniger Ausfall 
  • Mehr Spaß und Zufriedenheit bei der Arbeit 

Das sind die Nachteile: 

  • Andere Firmen sind nicht darauf eingestellt (externe Zusammenarbeit) 
  • Weniger Zeit, um Projekte zu finalisieren oder Deadlines einzuhalten (Druck) 
  • Weniger bezahlter Urlaub und weniger für die Rentenkasse 

Was denkst du über die 4-Tage-Woche?
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